Unscheinbar, oft als Unkraut betitelt, ist das Hirtentäschel (Capsella bursa-pastoris) eine spannende Pflanze, sobald man sich näher mit ihr beschäftigt. Es gehört, wie auch alle Kohlarten, zur Familie der Kreuzblütler und wächst auf Äckern, in Gärten und auf offenen Flächen. Es hat als ein- oder zweijährige Pflanze eine ungewöhnlich tief reichende Wurzel. Bis 90 cm tief dringt sie in den Boden ein. Die Grundblätter sind vielgestaltig, die Stängelblätter sitzen direkt am Stängel und umfassen ihn mit breiten Öhrchen. Alle Blätter sind behaart.
Bei günstigen Bedingungen blüht das Hirtentäschel praktisch das ganze Jahr, man findet es auch jetzt noch. Bestäubt werden die Blüten von Fliegen und kleinen Bienen. Oft bestäubt sich die Pflanze der Einfachheit halber auch gleich selbst.
Die namengebenden Schötchen enthalten in jedem Fach bis 12 Samen. Diese haben ein dunkles Geheimnis. Sie lassen sich vom Wind verbreiten, nutzen aber auch den Regen zur Ausbreitung. Wenn Regentropfen auf den Fruchtstiel fallen, springt der zurück und spickt die reifen Samen heraus. Auch Tiere wie Rinder oder Vögel helfen bei der Verbreitung, indem sie die Samen verschlucken und mit dem Kot wieder ausscheiden. Das Aussergewöhnliche ist aber der klebrige Schleim der Samenschale. Er enthält Enzyme, die Eiweiss spalten können. Fällt nun der Samen zu Boden, werden Kleinlebewesen und kleine Insekten magisch angezogen und dann vom Schleim getötet. Die Eiweisse helfen dem jungen Sämling, schneller zu wachsen. Es handelt sich also sozusagen um einen fleischfressenden Samen!
Was hat es aber mit dem kreidebleichen Hirtentäschel auf sich? Es wird häufig von einem Pilz befallen und wird dann über und über weiss, die Stängel verdrehen sich. Der Pilz hemmt das Wachstum der Pflanze, es entstehen missgebildete Früchte mit wenig oder keinen Samen. Später verfärben sich einzelne Bereiche im Blütenstand schwarz wegen den Pilzsporen, die dann durch den Wind verbreitet werden.
In der Küche
wird das Hirtentäschel bei uns wenig verwendet. In Nordamerika, von den europäischen Besiedlern mitgebracht, wird es als Gemüse gegessen. In China, Japan und Korea wird neben den oberirdischen Teilen auch die Wurzel als Gemüse gekocht oder frittiert im Reis serviert.
Könnte man ja einmal ausprobieren.
In der Forschung
Die Samenschale des Hirtentäschels ist durchsichtig. Zudem findet man in einem Blütenstand meist gleichzeitig alle Entwicklungsphasen vom unbefruchteten Fruchtknoten bis zum reifen Samen. Damit ist es ein ideales Objekt für Forschungen zur Embryonalentwicklung.
Name
Sowohl der bei uns übliche Name als auch der wissenschaftliche Name beziehen sich auf die Form der Schötchen. Sie erinnern mit ihrer dreieckig- bis herzförmigen Form an traditionelle Taschen der Hirten, die mit ihren Schafherden übers Land zogen.
Im Volksmund hat es viele regionale Namen wie Geldseckali in Bern und im St. Galler Seebezirk, Säcklichrut, Schelmaseckali, Täschlichrut, Vögelichrut und viele mehr. Das beweist die grosse Verbreitung und zeigt, wie allgemein bekannt die Pflanze war und ist.
Text und Bild: Ruth Macauley
