Ein stetig wachsendes Grüppchen versammelt sich bei der Kreuzackerbrücke in Solothurn zur Exkursion Stadtbäume.
Als erstes will Max Jaggi von uns wissen, was die Stadtbäume alles leisten. Wir tragen zusammen: Schatten und Kühle im Sommer, sie lagern CO2 ein und helfen so gegen den Klimawandel, sie filtern Feinstaub und tragen so zu sauberer Luft bei, sie sind Lebensraum für Flechten und Moose, Insekten, Spinnen und Vögel – und sie tragen bei zur Lebensqualität für die Menschen in der Stadt.
Dies alles unter erschwerten Bedingungen. Meist sind sie umgeben von Asphalt, der im Sommer die Hitze abstrahlt, der das Versickern des Wassers verhindert, den Abgasen und dem Feinstaub des Verkehrs ausgesetzt. Zudem werden sie von Hunden regelmässig mit Urin begossen, was wegen der im Urin enthaltenen Säure zu Verbrennungen führt (man beachte die Farbdifferenz an den Stämmen auf «Biselhöhe» der Hunde!).
Baumstamm mit Verbrennungen von Hundeurin: Der Baum versucht an den verbrannten Stellen von oben her neue Wurzeln zu bilden.
Efeu ist auch immer wieder ein Thema. Alte Efeupflanzen werden an der Basis abgeschnitten, so dass die Pflanze abstirbt. Das ist Unsinn! Das Efeu schützt die Rinde vor der Sonneneinstrahlung, bietet vielen Lebewesen Unterschlupf, den Insekten Nektar im Herbst, wenn andere Blüten verwelkt sind und den Vögeln Beeren im Frühling, wenn sonst noch wenig zu finden ist.
Max Jaggi zeigt uns alle diese Herausforderungen an eindrücklichen Beispielen und man spürt seine Liebe und sein Engagement für die Bäume.
Die Bäume brauchen also Pflege, damit sie gesund bleiben und alt werden können!
Dies beginnt bereits beim jungen Baum: Junge Äste müssen im unteren Bereich des Stammes rechtzeitig bis auf ca. 4 m Höhe geschnitten werden, damit auch unter dem ausgewachsenen Baum noch Busse und Lastwagen hindurchfahren können. Je länger man mit dem Schnitt wartet, desto grösser werden die Wunden, die durch das Schneiden der Äste verursacht werden. Der Baum versucht die Wunden zu überwallen und damit zu schliessen. Allerdings besteht die Gefahr, dass Pilze eindringen können. So ein Pflegeschnitt wird am besten im Sommer ausgeführt, damit der Baum genug Energie hat, die Wunde zu schliessen. (Gewöhnliche Rückschnitte können gut im Winter gemacht werden. Max vergleicht dies mit dem Schneiden von Fingernägeln.)
Beim alten Baum besteht die Gefahr, dass Äste plötzlich abbrechen. Dies ist in der Stadt natürlich gefährlich und muss verhindert werden. Man könnte den Baum ja einfach fällen und einen neuen pflanzen. Leider geschieht das noch allzu oft, den alte Bäume mit ihrer rissigen Borke und ihren verzweigten Ästen sind enorm wichtig für die Biodiversität. In ihrem Innern leben unzähligen Kleinlebewesen wie Käfer, aber auch Pilze, die das tote Holz im Innern der Bäume zersetzen. Was also tun? Auf dem Kreuzackerplatz kann man schön beobachten, wie in den Kronen der alten Platanen Seile gespannt wurden. Dies nennt man dynamische Baumsicherung. Der Baum kann sich so an sich verändernde Umweltbedingungen anpassen. Das Abbrechen der Äste kann so nicht verhindert werden, aber abgebrochene Äste werden im Fallen durch das Seil aufgefangen, so dass sie nicht bis auf den Boden stürzen. Oft werden alte Bäume im obersten Teil der Krone gestutzt, um die Last zu verringern. Auch das hilft, Abbrüche von Ästen zu verhindern oder wenigstens hinauszuzögern.
Die Äste dieser Platane sind oben gestutzt und mit Seilen gesichert
Bei den Platanen auf dem Kreuzackerplatz hat das Stutzen noch einen andern, durchaus erwünschten Nebeneffekt: Saatkrähen brechen Ästchen von den Platanen ab und bauen daraus ihre Nester. Je weniger kleine Ästchen zur Verfügung stehen, desto unattraktiver ist der Baum für die Krähen. Das wird sie allerdings nicht vertreiben.
Junge einzeln stehende Bäume können ihren Stamm noch nicht selbst beschatten, ihre Krone ist noch zu klein. Die Rinde ihrer Stämme kann im Sommer bis 70° heiss werden, das hält kein Baum aus. Die Rinde platzt, es entsteht eine lange Wunde, die täglich neu der Hitze ausgesetzt ist. Das ist für viele Jungbäume der Tod, wer es überlebt, ist für viele Jahre geschwächt. Da braucht es Sonnenschutz in Form eines weissen Anstrichs wie auf dem Postplatz zu sehen oder Schilfmatten um den Stamm.
Baum mit aufgeplatzter Rinde
Eine einfache Massnahme, die den Bäumen hilft: Um die Hitzeabstrahlung des Asphalts zu vermindern und mehr Wasser in den Untergrund versickern zu lassen, können grosszügige Streifen von unversiegeltem Boden angelegt werden (zu sehen bei der reformierten Kirche) und allenfalls mit Gras oder Blumenwiesen bepflanzt werden – was nicht nur den Bäumen guttut!
Die 200jährige Linde beim Kapuzinerkloser und die Buche beim Konzertsaal
Zum Abschluss besuchen wir zwei Veteranen: Die rund 200jährigen Linden vor den Kirche des Kapuzinerklosters, deren Wurzeln bis unter den Altar reichen, und die Buche auf der Wiese zwischen der reformierten Kirche und dem Konzertsaal, die mit ihren tief hängenden langen Ästen einen fast geschlossenen Raum bildet. Zum Staunen schön!
Max Jaggi hat sehr eindrücklich und anschaulich aufgezeigt, was Bäume in der Stadt leisten, was sie brauchen, um gesund alt zu werden – eine spannende Führung! Herzlichen Dank dafür.
Text und Bilder: Ruth Macauley