Die Gemmi, ein alter Passübergang von Kandersteg nach Leukerbad auf über 2300 m ü. M., bekannt für Sichtungen des majestätischen Bartgeiers. Die Aussicht von der Bergstation der Seilbahn ist spektakulär.
Wir deponieren unser Gepäck in der Gemmi-Lodge und ziehen los. Nach wenigen Metern schon folgt der erste Halt. Rund um einen Felsblock ist eine vielfältige Vegetation zu entdecken: Alpen-Hahnenfuss (Ranunculus alpestris), Kalk-Glocken-Enzian (Gentiana clusii), Zwerg-Miere (Minuartia sedoides), Alpen-Vergissmeinnicht (Myosotis alpestris), Blattloser Ehrenpreis (Veronica aphylla). Und dann die Weiden!
Stumpfblättrige Weide (Salix retusa)
Diese Zwerg-Bäumlein trotzen widrigsten Bedingungen: Als Pionierpflanzen, eng an den Boden geschmiegt, besiedeln sie Schuttfelder und Felsen, verankern sich mit tief reichenden Wurzeln und stabilisieren mit ihren Polstern den Schutt. Sie ertragen im Sommer die intensive Sonneneinstrahlung – wir haben sie gespürt! – und im Winter eine lange Schneebedeckung. In der kurzen Vegetationszeit müssen sie blühen und fruchten. Da bleibt nur wenig Energie zum Wachsen.
Wir wandern dem Daubensee entlang und entdecken am Wegrand immer wieder Winzlinge, z.B. den Gegenblättrigen Steinbrech (Saxifraga oppsitifolia), den Gefurchten Steinbrech (Saxifraga exarata), wohlriechenden Thymian usw.
Bild links: Um Winzlinge zu betrachten, muss man auf die Knie! Bild rechts: Der Alpen-Süssklee (Hedysamrum hedysaroides) ist Murmeltierfutter. Ein Wirkstoff darin hift den Tieren, den Winterschlaf zu überleben.
Dazwischen gibt es aber auch Vogelalarm! Gänsegeier, die hoch oben kreisen, dazu ein Steinadler! Aber auch Hausrotschwanz, Bergpieper, einen Schneesperling und Dolen natürlich.
Direkt am See verläuft der Rückweg, der mit einem steilen Aufstieg endet. Da! Luftalarm eines Murmeltiers! Der Blick in die Höhe offenbart die Gefahr für das Murmeli: Ein Bartgeier, der tief über dem Talboden kreist und sich perfekt beobachten lässt. Welch ein Abschluss der Wanderung!
Das Nachtessen in der Gemmi-Lodge mit der Aussicht auf die vielen Gipfel rundum geniessen wir alle in vollen Zügen.
Der zweite Tag führt uns in den Lämmerenboden. Das Überwinden einer engen Stelle, die entweder durch einen Tunnel oder über eine kleine Kletterei bewältigt wird, öffnet den Blick auf eine von Wasserläufen durchzogene Ebene mit der hoch oben thronenden Lämmerenhütte.
Hier ist die Vegetation noch spärlich, da wir uns in einem Gletschervorfeld befinden. Die Lämmerendalu schlängelt sich frei durch die Ebene und bildet wechselnde Kiesbänke.
Das Gletschervorfeld Lämmerenboden mit der frei fliessenden Lämmerendalu
Aber auch hier finden sich Pionierpflanzen. Vor allem Weiden, Silberwurz und Gegenblättriger Steinbrech sind zu entdecken. Alpenbraunellen sind immer wieder zu hören, zeigen sich aber leider nicht. Die Landschaft ist atemberaubend schön. Ganz hinten im Tal überqueren wir den Hauptarm der Lämmerendalu und picknicken am Lämmerensee.
Zurück zur Gemmi geht es nun immer dem Wildbach entlang. Eine Stelle über eine Felsplatte mit Eisenbögen als Tritt ist etwas schwieriger, sonst können wir plaudernd die Landschaft sowie die mit Blüten übersäten alpinen Rasen bewundern.
Müde, verschwitzt, aber reich an vielen Erlebnissen kehren wir nach Hause zurück.
Text und Bild: Ruth Macauley