Erdbeer-Fingerkraut (Potentilla sterilis) und Wald-Erdbeere (Fragaria vesca) - Doppelgängerinnen

15.03.2025

Botanisches
Beide Pflanzen gehören zur Familie der Rosengewächse. Wie die Hahnenfussgewächse (siehe Stinkende Nieswurz) haben auch die Rosengewächse viele Staubblätter. Anders als die Hahnenfussgewächse haben sie aber 5 grüne Kelchblätter und 5 Kronblätter sowie Nebenblätter. Nebenblätter sind kleine Blättlein neben den Laubblättern.
Die Walderdbeere ist kleiner als unsere Garten-Erdbeere. Sie blüht ab April bis im Juni. Ihre dreiteiligen gezähnten Blätter haben einen Endzahn, der nicht kleiner ist als die benachbarten Zähne.

Wald-Erdbeere   Erdbeer-Fingerkraut

Links die Wald-Erdbeere, rechts das Erdbeer-Fingerkraut


Das Erdbeer-Fingerkraut sieht der Wald-Erdbeere zum Verwechseln ähnlich. Allerdings gibt es einen klaren Unterschied. Bei der Wald-Erdbeere berühren oder überlappen sich die weissen Kronblätter. Beim Erdbeer-Fingerkraut berühren sich die weissen Kronblätter nicht, so dass die grünen Kelchblätter sichtbar sind (siehe Fotos).
Beide Arten bilden Ausläufer und können so regelrechte Teppiche bilden. Ausläufer sind eigentlich Stängel, die aber über den Boden kriechen. Bei jedem Knoten wurzeln sie und bilden eine neue Pflanze aus, die sich, sobald sie gross genug ist, unabhängig von der Mutterpflanze entwickeln kann.
Bestäubt werden beide Arten von Insekten. Sie haben also, was die Fortpflanzung angeht, den Fünfer und das Weggli, nämlich die vegetative und die sexuelle Fortpflanzung.

Früchte und ihre Verbreitung
Das Erdbeer-Fingerkraut bildet kleine Nüsschen mit einem Elaiosom (Öltropfen), die einfach zu Boden fallen und von Ameisen verschleppt werden. Ganz anders die Wald-Erdbeere. Nach der Befruchtung schwillt der Blütenboden an und verfärbt sich rot. Eine süsse und duftende Frucht entsteht. Auf ihrer Oberfläche finden sich die Nüsschen, die den Samen enthalten. Weil die «Beere» nicht aus dem Fruchtknoten, sondern eben aus dem Blütenboden entstanden ist, spricht man in der Botanik von einer Sammelnussfrucht. Diese wird unter den Blättern gut versteckt und ist deshalb nicht nur für die Vögel bestimmt, sondern für Säugetiere wie Fuchs, Dachs, Eichhörnchen, Igel, Mäuse, Siebenschläfer. Vögel wie Amsel, Hausrotschwanz, Rotkehlchen, Mönchsgrasmücke sowie Schnecken, Käfer und Tausendfüssler bedienen sich ebenfalls gern. Und Menschen! Die kleinen Nüsschen werden unverdaut wieder ausgeschieden und die Pflanze so verbreitet.

Wald-Erdbeere und Garten-Erdbeere
sind zwar verwandt, aber unsere Garten-Erdbeere ist eine Kreuzung zwischen der Chile-Erdbeere und der Scharlach-Erdbeere, die beide aus der Neuen Welt kommen.
Die Monatserdbeeren hingegen sind eine kultivierte Gartenform der Wald-Erdbeere und der Hügel-Erdbeere (die bei uns auch vorkommt!). Sie haben eine verlängerte Blütezeit und können bis in den Herbst Früchte tragen. Daneben gibt es unzählige Zuchtformen.

Erdbeeren als Nahrungsmittel
Schon sehr lange wurden Wald-Erdbeeren von den Menschen gesammelt, wie archäologische Funde belegen. Im Mittelalter wurden sie grossflächig angebaut, bis die amerikanischen Sorten auftauchten, die viel grössere Früchte tragen.
Konfitüre aus Wald-Erdbeeren wird leicht bitter, da die Nüsschen auf der Oberfläche Bitterstoffe enthalten.

Erdbeeren als Heilmittel
Wegen den Gerbstoffen in den Blättern werden diese gegen Durchfall eingesetzt. Junge Erdbeerblätter können auch als Ersatz für Schwarztee verwendet werden.

Wald-Erdbeeren im Märchen und in der Legende
Die Gottesmutter Maria soll einmal im Jahr vom Paradies auf die Erde herabsteigen, um Erdbeeren für die verstorbenen Kinder zu sammeln.
Im Märchen von den «Drei Männlein im Walde» lässt die böse Stiefmutter das Kind nur mit einem Papierröcklein bekleidet mitten im kalten Winter im Wald nach Erdbeeren suchen. Im Wald trifft sie auf die drei Männlein, die sie wegen ihrer Hilfsbereitschaft reich belohnen.

Die Wald-Erdbeere in der Kunst
Schon immer ist die Erdbeere ein Symbol für Sinnenfreude.
Die Pflanze hat rosenartige Blüten, aber keine Stacheln, die Beeren sind ohne Kern und Schale. Sie wurde daher im Christentum zum Sinnbild für Rechtschaffenheit und zur Begleitpflanze von Maria. Auf mittelalterlichen Marienbildern ist sie eine Allegorie für fromme und gute Gedanken.

Text und Bilder: Ruth Macauley