Die Hänge-Birke - Betula pendula

15.04.2024

Die Hänge-Birke

Eine Prinzessin ist sie: schlank, in Weiss gehüllt, mit graziös hängenden Zweigen und jetzt im Frühling zart hellgrünen Blättchen. Im Herbst wird sie dann in Gold erscheinen.
Trotz ihrer zarten Erscheinung ist sie aber eine echte Pionierin und Alleskönnerin mit grossem Durst, die als erste Brachen, Moore und Ufer besiedelt und viel Licht und Wasser benötigt. Konkurrenz allerdings erträgt sich nicht.

Die auffällig weisse Rinde ist eine Folge des eingelagerten Betulins, das Licht und damit auch Hitze vollständig reflektiert, so dass die Rinde weiss erscheint. Dies ist besonders im Winter wichtig, wenn der am Tag aufgetaute Baumsaft in der Nacht wieder gefriert. Dann entstehen Risse in der Rinde.
Um die makellose Weisse ihrer Rinde aufrecht zu erhalten, produziert die Birke laufend den weissen Farbstoff Betulin. Zusätzlich blättert die Rinde laufend ab und darunter erscheint die neue, schön weisse Schicht.

Die männlichen Kätzchenblüten hängen in den Blattachseln, die weiblichen Kätzchen sind während der Blüte aufrecht, später ebenfalls hängend. Allergiker leiden unter den vom Wind verwirbelten Birkenpollen. Die Nussfrüchtchen sind geflügelt und werden im Herbst vom Wind verbreitet.
Das Hauptverbreitungsgebiet der Birke sind die Nadelmischwälder von Sibirien und Skandinavien, sie kommt aber in ganz Europa und auch bei uns an Pionierstandorten vor.

Vermieterin und Ernährerin
Die Birke ist ein Vielfamilienhaus. Unter vielen anderen leben Birkenwanzen auf ihr. Nachdem das Weibchen 40-50 Eier auf ein Blatt abgelegt hat, bleibt es auf dem Blatt und verteidigt sein Gelege gegen andere Insekten (Ameisen, Marienkäfer, Ohrengrübler). Während des 1. Larvenstadiums versammelt es die Larven unter sich. Ab dem 2. Larvenstadium verlassen diese das Blatt und ernähren sich vor allem von den Kätzchen. Das Weibchen folgt ihnen und kümmert sich weiter um sie. Es akzeptiert auch Larven eines anderen Weibchens. Es kommt sogar vor, dass zwei Weibchen ihre Bruten gemeinsam betreuen.
Die Knospen und Samen sind im Winter die Hauptnahrung für Birkenzeisige und Birkhühner.
Für viele Schmetterlinge ist die Birke Futterpflanze für ihre Raupen.

Vielfältige Verwendung
Die Baum-Prinzessin ist auch eine Wohltäterin – ganz wie menschliche Prinzessinnen.
In der Pflanzenheilkunde werden die getrockneten Blätter als Teeaufguss verwendet bei Erkrankungen der Nieren und der Blase. Ebenfalls hilfreich sind Waschungen bei Hauterkrankungen. Birkenkohle wird bei Durchfall eingesetzt, weil sie Flüssigkeit und Schadstoffe bindet.
Birkensaft hat entzündungshemmende, schmerzstillende und antimikrobielle Wirkungen.

Aus Rinde lässt sich Birkenteer herstellen, der zur Behandlung von Hautkrankheiten und weiterverarbeitet als Juchtenöl zur Lederpflege eingesetzt wird. Ebenfalls aus der Rinde wird Birkenpech hergestellt, das seit der Altsteinzeit als Klebstoff verwendet wurde.
Spanschachteln, Schuhe, Rucksäcke wurden aus der Rinde hergestellt. Aus Sibirien kommen heute wieder Vorratsbehälter für Mehl, Tee oder Brot, welche die antiseptischen Eigenschaften der Rinde nutzen.
Nordamerikanische Indigene stellten aus Birkenrinde auch Kanus und Wigwams her. Verstorbene wurde in Birkenrinde gehüllt bestattet.
Im östlichen Russland und im Himalayagebiet wurde auf Birkenrinde geschrieben.
Besenbinder fertigten aus Birkenreisig Besen her, die für Pflästerungen kaum zu übertreffen sind. In der Sauna werden Birkenreisige zum Abschlagen des Körpers verwendet – und in früheren Zeiten als Züchtigungsmittel eingesetzt.

Name und Brauchtum
Der Birkenteer hat der Pflanze ihren wissenschaftlichen Namen - Betula - gegeben: Die Gallier nannten den Baum betu = Harz, was auf die grosse Bedeutung dieses Harzes verweist. Shakespeares MacBeth ist der «Sohn der Birke». Die Birke galt als Baum der Einweihung, die Druiden weihten ihre Schüler mit Birkenzweigen.
Der deutsche Name Birke kommt aus dem Indogermanischen bharg. Das bedeutet glänzen, hell sein und bezieht sich wohl auf die weisse Rinde.
In der Walpurgisnacht ritten die Hexen auf Birkenbesen über den Blocksberg.
Als Symbol für das Leben war die Birke der germanischen und slawischen Göttin Freya geweiht. In der Form von Maibäumen wirkt der alte Glaube bis in die heutige Zeit.

Blütezeit
April bis Mai

Text: Ruth Macauley