Tollkirsche - Atropa bella-donna

15.08.2024

Die Tollkirsche - die Hexenpflanze

Die Tollkirsche ist eine besondere Erscheinung. Ihre glockigen Blüten sind braun-violett, innen mit purpurnen Adern. Die Beeren sind glänzend schwarz. So hat sie eine etwas unheimliche, bedrohliche Ausstrahlung - auch wegen der allgemein bekannten Giftigkeit. Ältere Personen wurden bestimmt von ihren Eltern vor der Pflanze gewarnt.
Auffällig sind die Blätter im Bereich der Blüten. Leicht gegeneinander verschoben steht ein kleineres einem grösseren Blatt gegenüber. Blüten und Beeren können gleichzeitig an einer Pflanze vorkommen.Eine lange Pfahlwurzel dient als Speicherorgan. Sie riecht unangenehm.

Bestäubung und Ausbreitung der Samen
Hummeln und Bienen sind die wichtigsten Bestäuber der Pflanze. Sie finden Nektar und Pollen. Bei der Tollkirsche reifen die weiblichen Geschlechtsorgane vor den männlichen. So wird eine Selbstbestäubung vermieden. Da nicht alle Pflanzen gleichzeitig aufblühen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Fremdbestäubung klappt.
Die reifen Samen werden durch Vögel und Schnecken, die am Fruchtfleisch von auf den Boden gefallenen Beeren fressen, verbreitet. Besonders Amseln, Drosseln und Spatzen fressen die Beeren gern.

Futterpflanze
Die Blätter werden von den Raupen von Brauneulen und Totenkopfschwärmern gefressen, die Bilsenkraut-Blüteneule bevorzugt die Samenkapseln.
Überlebenswichtig ist die Pflanze für den Käfer Altica atropa, der sich von ihren Blättern ernährt.

Verwendung in der Medizin
In der Volksmedizin sind in historischen Abhandlungen viele Anwendungen erwähnt.
Heute wird das aus  aus der Tollkirsche gewonnene Atropin in der Augenheilkunde eingesetzt, um die Pupillen zu erweitern.
Bei spastischen Koliken des Magen-Darmtraktes wird die Droge ebenfalls verwendet.
Als Gegengift bei bestimmten Vergiftungen (z.B. mit chemischen Kampfstoffen, Insektiziden) ist das Atropin wichtig.


Verwendung als chemische Waffe
Das Nervengift Nowitschok, mit dem der russische Oppositionspolitiker Nawalny vergiftet wurde, enthält Atropin.
Im 11. Jahrhundert, während des Krieges zwischen den Schotten und einfallenden Dänen, wurden Tollkirschen dem Bier zugesetzt und den Dänen serviert. Während sie ihren Deliriumsschlaf schliefen, wurden sie von den Schotten überwältigt.

Zauberpflanze
Viele Bräuche und Rituale kreisen um diese Pflanze. Beispiele:
In Rumänien glaubte man, dass der Sitz des Hausgeistes in der Tollkirsche im Garten ist.
Um die Liebe eines Mädchens zu gewinnen, muss die Wurzel einer Tollkirsche ausgegraben werden. An ihrer Stelle müssen Gaben für den Pflanzengeist deponiert werden.
Noch im 19. Jahrhundert haben süddeutsche Jäger vor der Jagd drei bis vier Beeren gegessen, um damit ihre Wahrnehmung zu schärfen.
Die Tollkirsche soll auch Bestandteil der mittelalterlichen Hexensalbe gewesen sein. Die davon verursachten Halluzinationen führten zu Hexenprozessen, bei denen die Geständnisse mittels Folter erpresst wurden.

Woher kommt der Name?
Beginnen wir mit dem wissenschaftlichen Namen Atropa bella-donna. Die griechische Göttin Atropos war eine der drei Schicksalsgöttinnen, sass in der Unterwelt und schnitt den Eintretenden den Lebensfaden entzwei. Was Bella-Donna bedeutet ist wohl allen klar. Die «Schöne Frau» hatte in der Zeit der Renaissance folgende Merkmale: eine Wespentaille, die sich durch das Schnüren eines Korsetts herbeidrücken liess, eine porzellanweisse Haut, die man durch Meiden der Sonne und durch die Einnahme von kleinen Mengen Arsen herbeizauberte, und feurige, dunkle Augen. Diese erreichte man durch Einträufeln von Tollkirschensaft.
Der deutsche Name Tollkirsche entstand wegen der Wirkung des Giftes, das Erregtheit (auch sexuelle) und Unruhe hervorruft.

Wo zu finden?
In Waldschlägen, in lichten Wäldern und an Waldrändern

Blütezeit
Juni bis August

Text: Ruth Macauley