Die Herbst-Zeitlose - eine Rekordpflanze
Eine ungewöhnliche Pflanze ist die Herbstzeitlose. Ohne Blätter zur Blütezeit ab August, färben sie feuchte Wiesen zart violett. Die orangen Staubbeutel leuchten aus der Mitte der Blüte. Nur langrüsslige Insekten können vom süssen Nektar schlecken: Er versteckt sich am Grund der Staubblätter in feinen, von Haaren bedeckten Spalten. Kriechen pelzige Hummeln in den Trichter, werden sie reichlich mit Pollen bepudert.
Die Blütenblätter der Herbst-Zeitlose gehen in eine schlanke Röhre über. Darin ist aber kein Fruchtknoten zu finden! Man muss sie schon ausgraben, um in der zwei Handbreit unter der Erdoberfläche liegenden Knolle einen Fruchtknoten zu finden. Die Blüte ist also – oberirdische und unterirdische Teile der Blüte zusammen - etwa 30 cm lang! Entsprechend weit ist der Weg, den der Pollenschlauch von der Narbe bis zum Fruchtknoten überwinden muss. Dafür benötigt er mehrere Wochen. Die Befruchtung erfolgt daher erst im Winter. Die Früchte mit den Samen sind im Winter unter der Erde gut vor der Kälte geschützt und erscheinen dann zusammen mit den Blättern im Frühling. Wer die Früchte im Frühling gesehen hat, weiss, warum die Pflanze manchmal auch Nacktärsch genannt wird.
Im Frühling mit den Früchten
Im Herbst mit den Blüten
Die Umkehrung der Blühphase ist eine Anpassung an ihren Lebensraum. Wiesen werden regelmässig geschnitten. Die Herbstzeitlose nutzt die letzten Wochen mit viel Licht zum Blühen. Die Blätter und Früchte erscheinen im Frühling vor dem ersten Schnitt.
Woher kommt der Name?
Zeitlose heisst sie, weil sie im Unterschied zu anderen Gewächsen zur Unzeit blüht und fruchtet.
Früher wurde sie auch Spinnblume genannt, weil die Spinnerinnen sich die Hände mit Herbstzeitlosenblüten einrieben, damit sie weniger wund wurden vom Spinnen.
Interessant ist der wissenschaftliche Name Colchicum. Kolchis ist eine antike und geheimnisvolle Landschaft am Schwarzen Meer, wo Jason das goldene Vlies gesucht hatte und die berühmt war für den Garten mit Heil- und Giftpflanzen der Medea, der Priesterin und Seherin der Göttin Artemis. Die Herbst-Zeitlose hat in diesem Garten bestimmt einen Platz gehabt: Sie ist giftig. Eine Vergiftung kann tödlich enden.
Der englische Name Naked lady bezieht sich auf die blattlose Blüte.
Die Herbst-Zeitlose in der Medizin
Wer im Frühling Bärlauch sammelt: Achtung, nicht mit den Blättern der Herbst-Zeitlose verwechseln – sie ist giftig. Ihr Gift hindert die Zellen an der Teilung. Der Durchfall sei schmerzhaft und blutig und kann tödlich enden.
In der Schulmedizin wird das Colchicin als Mittel bei akuten Gichtanfällen verwendet. Allerdings muss das Mittel in niedriger Dosierung angewendet werden, da es sonst – siehe oben - Durchfall und Erbrechen auslöst.
Blütezeit
August bis Oktober
Text: Ruth Macauley
